Am Freitag, den 11.November diskutierten in Schwarzenbek alle betroffenen und beteiligten Parteien mit Ralf Stegner, Landesvorsitzender der SPD, unter der Moderation von Peter Eichstädt, MdL und Vorsitzender des Sozialausschusses des Landtages Schleswig-Holstein und der sozialpolitischen Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion Gitta Neemann-Güntner, über die Chancen und Risiken dieser maßgeblichen Gesetzesänderung.
Der Geschäftsführer des Lebenshilfewerks, Hans-Joachim Grätsch, führte die Anwesenden thematisch in die mit dem neuen Bundesteilhabegesetz einhergehenden wesentlichen Veränderungen und darauf basierenden Befürchtungen ein. Besonders große Bedenken äußerte Grätsch beispielsweise hinsichtlich der geplanten Nachrangigkeit von Leistungen der Eingliederungshilfe zu denen der Pflege. Der geplante, erschwerte Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe wurde ebenfalls scharf kritisiert. In den Genuss von Eingliederungshilfe käme dann nur der, der in mindestens fünf von neun Lebensbereichen Unterstützungsbedarf habe, für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen häufig eine nicht überwindbare Hürde. Zudem könnten die erhöhten Zugangsbedingungen Kinder treffen, die häufig ihre Förderung aufgrund einer drohenden Behinderung erhalten. Wohnraumsituationen und die Inanspruchnahme von Assistenzleistungen drohen sich mit dieser Novellierung massiv zu verschlechtern. Für die elf Kreise und vier kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein gäbe es kein einheitliches Verfahren zur Bedarfsfeststellung von Eingliederungshilfe. In Anbetracht der im Gesetz geforderten Kostenneutralität dränge sich der Verdacht auf, dass den Betroffenen eine Eingliederungshilfe nach Kassenlage bevorstünde.
Hans-Joachim Grätsch resümierte: „Das Gesetz in dieser Form bereitet mir große Sorge. Die Gefahr sehe ich darin, dass es nicht ein Mehr an Inklusion, sondern ein Mehr an Exklusion geben könnte.“
Bei den anwesenden Betroffenen, Angehörigen, Beauftragten von Menschen mit Behinderung und Leistungserbringern stießen die Ausführungen von Grätsch auf große Zustimmung.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Anwesenden äußerte ein Vater seine Befürchtung, dass seine pflegebedürftige 23-jährige Tochter in ein Pflegeheim abgeschoben würde. Dies könnte passieren, wenn das derzeitige Nebeneinander von Pflege und Eingliederungshilfe tatsächlich aufgegeben würde und die Zumutbarkeit nach Meinung des Leistungsträgers entscheidendes Kriterium werde. Ein „Sowohl-als-Auch“ der Leistungen sei für seine Tochter unabdingbar und eine bestmögliche Förderung nur dann gegeben. Eine Werkstattbeschäftigte schilderte sehr emotional ihre Angst, den Werkstattplatz im nächsten Jahr zu verlieren. Die Arbeit in der Werkstatt böte ihr Halt und die Sicherheit, den sie bräuchte. Mit einem Wegfall würde ihre Alltagsstruktur gänzlich verloren gehen.
Andere Betroffene bekundeten ebenfalls ihren Unmut über das Gesetz und die damit verbundenen Unsicherheiten und zu erwarteten Verschlechterungen ihrer Situation. Beispielsweise der gänzliche Verlust von Eingliederungsleistungen oder die Frage, warum Beschäftigte in einer Werkstatt weiterhin kein Vermögen über 2.600 Euro ansparen könnten.
Ralf Stegner zeigte sich betroffen und stellte sich den vielfältigen Fragen und Bedenken der Anwesenden. Er betonte mehrfach, dass die Gesetzesänderung aus seiner Sicht zur Regelung und Verbesserung der Teilhabe beitragen werde. Es werde keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation geben. Garant hierfür sei die im Gesetz verankerte Besitzstandswahrung. Er und Peter Eichstädt sicherten den Anwesenden zu, die vielfältigen geäußerten Bedenken in die anstehende Bundesratssitzung mitzunehmen.