Nina Scheer ging insbesondere auf die Bekämpfung von Fluchtursachen, zu beschränkende Waffenexporte, die Energiewende und den Klimawandel ein: „Friedenspolitische Anforderungen verlangen keine Verengung auf aktuelle Kriegsgebiete vorzunehmen, sondern den Blick auf auch unterschwellige und zukünftige friedensgefährdende Umstände zu lenken. Schon während der letzten Jahrzehnte gab es Kriege um fossile Ressourcen bzw. um Öl und dies, obwohl die Verknappung dieser endlichen Ressourcen heute auf dem Weltmarkt noch nicht spürbar ist.“ Insofern stelle es eine kriegstreibende Gefahr dar, dahingehende Rohstoff-Abhängigkeiten aufrecht zu erhalten und hierbei deren Endlichkeit sehenden Auges entgegen zu gehen. Besorgniserregend sei auch die Aufrüstung von Nuklearwaffen und der Zusammenhang, wie er zur Atomenergienutzung bestehe: „Atommächte werden immer dafür Sorge tragen, das Knowhow im Land zu halten und die Kosten hierfür über die sog. „zivile“ Nutzung abzufedern. Letzteres ist wiederum ein Einfallstor für nukleare Aufrüstung. Somit besteht auch in Atomenergienutzung ein unermessliches friedensbedrohliches Potenzial“, so Scheer.
Auch Ralf Stegner betonte, dass eine Politik der Abrüstung notwendig sei; Willy Brandt und Egon Bahr seien dafür ein gutes Vorbild. Dabei sei auf militärische Einsätze nur als allerletztes Mittel in Verbindung mit einem Mandat der Vereinten Nationen zurückzugreifen. Nina Scheer und Ralf Stegner wandten sich gegen das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Dies würde eine nicht zu rechtfertigende und völlig unverhältnismäßige Aufrüstungspolitik Deutschlands bedeuten, während es an Bildungs- und Entwicklungshilfegeldern fehle. Ralf Stegner verband dies mit einer scharfen Kritik an Äußerungen Ursula von der Leyens, Bundesministerin der Verteidigung, die sich hinter das Zwei-Prozent-Ziel gestellt hatte.
Die anschließende Diskussion mit dem Publikum betraf sowohl das Verhältnis zur Türkei und Sanktionen gegen Russland als auch die Bekämpfung von Fluchtursachen. Einigkeit bestand, dass Letztere nicht kurzfristig zu erreichen sei, man aber dennoch unmittelbar dahingehende Schritte gehen müsse. Kurz- bis mittelfristig dürfte die Europäische Union Ankunftsländer wie Italien nicht länger alleine lassen. Geflüchtete, die keine Familie in Europa haben, müssten einem Land zugewiesen werden.
Nina Scheer stimmte Lauenburgs Bürgermeister Andreas Thiede zu, dass der verbreitet angelegte Maßstab im Umgang mit Russland nicht stimmig sei. Das expansive Verhalten der NATO dürfe in Betrachtung der Eskalation zwischen der Ukraine und Russland nicht verharmlost werden, so Scheer. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang auch den Umgang mit handelsbezogenen Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine, die ohne hinreichende Berücksichtigung von Folgewirkungen in Bezug auf Russland verfolgt worden seien.
Ralf Stegner besuchte Nina Scheer im Rahmen seiner Sommertour durch Schleswig-Holstein. Zuvor fanden Gespräche im STADT-SPIEL-Museum in Mölln, in der Wassermühle in Trittau und im Künstlerhaus in Lauenburg statt.