Rede: Wirtschaft und Klimaschutz

Deutscher Bundestag, 20. Wahlperiode, 11. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Januar 2022

TO 2 – Verbundene Debatte zur Politik der Bundesregierung, Wirtschaft und Klimaschutz

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte zu Beginn noch einmal kurz auf das eingehen, was aus Unionsreihen hier vorgetragen wurde. Es ist bitter für mich, nach diesen acht Jahren der Zusammenarbeit feststellen zu müssen und auch heute bestätigt zu bekommen, dass hier ein grundlegendes Missverständnis in Bezug auf das Verhältnis von Arbeitsplätzen, Klimaschutz und Energiewende existiert. Das gehört unmittelbar zusammen.

Herr Lenz, so sehr ich Sie als Kollegen schätze, aber ich möchte Ihnen sagen: Man kann doch nicht allen Ernstes in einer solchen Debatte, in der es um einen Transformationsprozess, um eine Vervielfachung der Anstrengungen, um eine Verdopplung des Anteils der erneuerbaren Energien bis 2030 geht, das Thema Arbeitsplätze und die Aufgaben, die wir bei der Energiewende haben, getrennt voneinander betrachten. Nein, die Energiewende schafft Arbeitsplätze, und genau darum geht es. Unser Verständnis ist, dass es der Zielorientierung der Politik dient; es ist nichts Externes.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig, dass das hier klipp und klar definiert wird und schon zu Jahresbeginn ein klarer Arbeitsplan vorliegt – dafür bin ich dankbar, lieber Bundesminister Robert Habeck –; denn damit haben wir eine gute Grundlage, um den ambitionierten Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu begegnen, und können schon mit einem Osterpaket schnell in die Puschen kommen und Maßnahmen ergreifen, die auch unmittelbar wirken. Das liegt nun vor uns.

Ich möchte ein paar Punkte nennen und noch einmal das unterstreichen, was Matthias Miersch zum 2-Prozent-Flächenziel gesagt hat. Es ist wichtig, dass wir auch da das Verständnis haben: Die Kraft entsteht aus den Anreizwirkungen und der Einbindung eines wettbewerblichen Elements, sodass es auf keinen Fall zu einem Topdown kommt. Vielmehr sollen von unten, aus der Dezentralität heraus mit den Innovationsclustern – meine Kollegin Hubertz hat sie genannt – arbeitschaffende Instrumente eingesetzt werden, die zum Selbstläufer werden. Die Ziele werden nicht mehr etwas Abstraktes, etwas Sperriges, etwas irgendwo in weiter Ferne Liegendes sein, sondern Ziele, die wir wahrscheinlich locker erreichen, sogar noch übertreffen können. Wenn wir die richtigen Instrumente haben, werden sie diese Kraft in der Gesellschaft und der Wirtschaft entfalten.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Dabei geht es natürlich auch um die Akteurvielfalt, die wir leider teilweise bei der Energiewende verloren haben. Die müssen wir jetzt wiedergewinnen. Es geht darum, die Kommunen noch stärker einzubinden. Es geht auch darum, unmittelbar für die Unternehmen, aber auch für Bürgerenergie noch stärkere Anreize zu setzen. Es geht natürlich auch darum, Genehmigungshemmnisse zu beseitigen und bürokratische Hürden zu überwinden und abzubauen.

Es geht auch darum – das sage ich mit Blick auf Bayern; das möchte ich noch einmal hervorheben –, die 10H-Regelung so bald wie möglich abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Zehnfache der Höhe der Windkraftanlage als Abstand zu definieren, ist eine Verhinderungssystematik. Das ist einfach so. Das sehen Sie ja auch anhand der Ausbauzahlen in Bayern. Warten Sie doch bitte nicht, bis der Bundesminister zu Ihnen kommt, sondern sehen Sie es endlich ein. Schaffen Sie diese unsinnige Regel ab!

Präsidentin Bärbel Bas:

Frau Scheer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der AfD-Fraktion?

Dr. Nina Scheer (SPD):

Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte kurz auf das eingehen, was CSU-Generalsekretär Markus Blume dazu gesagt hat. Er hat gesagt:

An der 10H-Regel wird nicht gerüttelt. Die bayerische Regelung zur Windkraft sichert Akzeptanz und sorgt für Bürgerbeteiligung.

Mit Verlaub, Herr Blume, das ist blanker Hohn. Denn Bürgerbeteiligung wurde in Bayern zuletzt dadurch geschaffen, dass Bürgerentscheide stattfanden. Bürgerentscheide sind aber das letzte Mittel, das einem dann noch bleibt, wenn die Landesregierung regelungstechnisch sagt: Windenergieausbau ist nicht möglich. – Stellen Sie sich nur einmal vor, wie absurd es wäre, wenn man zum Beispiel für die Produktion von Masken oder für die Produktion von Impfstoffen einen Bürgerentscheid brauchte. Genauso verhält es sich doch auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier braucht man keine Bürgerentscheide, sondern hier muss es selbstverständlich sein, dass dort gebaut werden kann, wo die erneuerbaren Energien gebraucht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wichtig ist dabei auch, dass die Möglichkeiten, die uns von europäischer Seite mit den neuen Beihilfeleitlinien an die Hand gegeben wurden, nun auch ausgeschöpft werden. Darin ist eine Ausschreibungsgrenze definiert. Wenn wir unterhalb dieser Grenze bleiben, haben wir die Möglichkeit, den Ausbau erneuerbarer Energien zuzulassen und gesetzliche Regelungen, die noch vor den Beihilfeleitlinien geschaffen wurden, zu kassieren und noch viel mehr jenseits der Ausschreibungsgrenzen zu gestatten. Darauf wollte ich noch hingewiesen haben.

Mieterstrommodelle müssen wir vorantreiben. Auch Speicher müssen wir weiter als Säule der Energiewende etablieren. Dazu gehört natürlich unbedingt Wasserstoff.

Ich möchte noch ganz kurz auf die Energiepreise eingehen. Natürlich ist es wichtig, dass sie im Zaum gehalten werden. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die schon auf den Weg gebracht wurden. „Heizkostenzuschuss zum Wohngeld“ sei hier nur als Stichwort genannt, weil meine Redezeit gleich um ist. Aber es ist auch hier wichtig, zu unterstreichen: Der beste Garant für bezahlbare Energie ist der Umstieg auf erneuerbare Energien. Sie bieten langfristig die Garantie für die Bezahlbarkeit von Energie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen dürfen wir auch nicht den Fehler machen, in der Atomenergie eine Zukunft zu sehen. Der deutsche Weg ist richtig. Er ist auch nicht nur ein deutscher Weg. Atomenergie ist nicht nachhaltig; das ist die einzig richtige Definition, die man für Atomenergie finden kann. Deshalb: Lassen Sie uns an dieser Überzeugung festhalten!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestags.